November

Wir bleiben noch

Buch von Daniel Wisser

Mit hinreißend lakonischem Witz erzählt Daniel Wisser von vier Generationen einer Familie, durch die sich die Gräben eines ganzen Landes ziehen. Er zeichnet das Bild einer Gesellschaft, der langsam dämmert, dass sich der Traum vom ungebremsten Fortschritt gegen sie wendet.

Die Welt um Victor Jarno hat sich verändert — und wie immer hat er es zu spät bemerkt. Victor ist Mitte vierzig, kinderlos und der letzte Sozialdemokrat in einer Wiener Familie mit sozialistischen Wurzeln bis in die Kaiserzeit. Nur scheint sich niemand daran zu erinnern, selbst seine Mutter und seine Tante hat der politische Rechtsruck erfasst. Mit der Rückkehr von Victors Cousine Karoline aus dem Ausland, flammt eine dreißig Jahre alte heimliche Liebe wieder auf: Beide verachten e-Scooter, Stand-up-Paddling und die regierenden Rechtsparteien. Doch als aus ihnen ein Paar wird, droht die Familie an dem Skandal zu zerbrechen. Noch dazu vererbt ihnen die Großmutter vor ihrem Tod ihr Haus auf dem Land, in das Cousine und Cousin nun zum Missfallen ihrer Eltern, die das Haus gerne geerbt hätten, einziehen. Was aber lässt sich in einer Welt, in der ihre Ideale im Niedergang begriffen sind und ihre Familie zerbricht, noch retten?

Famos webt Wisser die historische und aktuelle Gesellschaftspolitik in die Erzählung ein, berichtet vom Niedergang der Sozialdemokratie und vom Aufstieg der Rechtspopulisten in Österreich. Auch die Rolle der Boulevardpresse, die von der Regierung mit Steuerzahlergeld großzügig unterstützt wird, wird ausführlich beleuchtet. Wer Erklärungen für aktuelle politische Entwicklungen sucht, wird in diesem Roman fündig – das ist literarische Zeitgeschichte. Mit diesem, seinem fünften Roman, hat sich Daniel Wisser, der bereits mit dem österreichischen Buchpreis ausgezeichnet wurde, als eine der spannendsten Stimmen der österreichischen Gegenwartsliteratur etabliert.

Alexandra Föderl-Schmid (Süddeutsche Zeitung)

Wie die Zeitgeschichte über Menschen drüberfährt, das zu zeigen ist der üblich Weg, den Familienromane einschlagen, um den Einzelnen als Reaktionsbündel auf Einmischungen der Politik ins Private vorzuführen. Bei Daniel Wisser läuft es anders. Er erzählt davon, wie Leute mit der Zeitgeschichte aufräumen, wie sie sich der Geschichte der Politik, die sie geprägt hat, entledigen und damit eines Teiles ihrer eigenen Geschichte verlustig gehen.

Anton Thuswaldner (Die Furche)

Infos: https://www.danielwisser.net/